Ado // 1977

“Ich verbinde meinen Namen persönlich nicht mit Hitler, keineswegs. Aus der Weltkriegszeit gibt es genug andere böse Menschen. Da könnte man ja über jeden Rudolf diskutieren. Aber: Mir gefällt der Name an sich nicht. Es gibt weiß Gott schönere. Deswegen nenne ich mich privat auch Ado oder Adi, je nach Lust und Laune. Nur beruflich bin ich Adolf.

Und vor allem: Den Namen gab es auch vorher, vor Hitler. Mein Opa hieß so, lange bevor Hitler an die Macht kam, und mein Vater auch. Eigentlich war es nicht geplant, dass ich auch so heiße, aber drei Monate vor meiner Geburt starb mein Großvater. Da entschied mein Vater, dass ich den Namen bekommen werde. Meine Mutter wollte das nicht. Aber der Tod des Großvaters war ein harter Fakt, damit hat sich mein Vater ganz klassisch durchgesetzt.

Natürlich wurde ich in der Schule auch diffamiert, manche zeigten mir den Hitlergruß. Die Frage ist doch: Wie weit lässt man das an sich ran. Die Momente, die nicht so schön waren, haben sich mir nicht so eingeprägt. Vielleicht habe ich auch das Glück, sagen zu können: Ich steh da drüber. Wenn einer ankommt und sagt: Sind Deine Eltern rechts, weil sie Dich so getauft haben? Bist Du rechts? Dann denke ich nur: Kennst Du meine Eltern, kennst Du mich? Nein. Das ist ein Name, er hat nichts mit meiner Denkweise zu tun. Aber ich kann mir vorstellen, dass es für andere belastender ist. Die Menschen sind eben unterschiedlich, auch in ihrer Selbstischerheit.

Mein Vater ist Jahrgang 1952. Damals war das natürlich noch extremer. Er ist sieben Jahre nach Kriegsende geboren, sechs Jahre später in die Schule gekommen. Der Krieg und Hitler waren in den Köpfen noch allgegenwärtig. Erst neulich erzählte er, dass er deswegen früher schon zu knabbern hatte, wie schlimm es für ihn war, in der Schule als Hitler beschimpft zu werden. Was es natürlich umso weniger verständlich macht, dass er wollte, dass ich den gleichen Namen trage.

Hallo, hier bin ich

Dass der Name nicht so normal war wie Alexander, ist mir in der Grundschule bewusst geworden. Als der Name Hitler auftauchte, habe ich das als Kind hinterfragt: Wer war der Mann? Was hat der gemacht? Man bekommt mit, dass er viele Leute getötet und nichts Gutes getan hat. Aber: Ich persönlich habe doch mit der Geschichte von früher nichts zu tun. Ich habe nie verstanden, warum meine Generation dafür herhalten muss. Es sind viele Jahre dazwischen, es gibt neue und andere Probleme, die angepackt werden müssen. Ja, es gibt einen Rechtsruck derzeit, das mag die gleiche Denkweise sein wie damals, aber mit Hitler hat das meiner Meinung nach nichts zu tun.

Wenn ich meinen Namen höre, habe ich mittlerweile übrigens zuerst das Gesicht von Christoph Maria Herbst vor Augen. Seit dem Hörbuch von ‚Er ist wieder da‘. Ich stehe hinter dem Namen, ich bin der Name, ja. Aber ich denke nicht weiter drüber nach. Das mag auch mit dem Schutzwall von früher zu tun haben, klar.

Ado – mit Adiletten.

Trotzdem: Mit dem Namen sticht man natürlich immer heraus, in einer neuen Runde sind die Blicke auf einen gerichtet. Im Teenageralter hat man sich schon manchmal Lücken gesucht, um es sich einfacher zu machen. Wenn man jemanden kennenlernt und sich unterhält, kommt zwangsläufig irgendwann die Frage nach dem Namen. Da habe ich auch mal einen anderen gesagt. Wenn man dieses Gespräch gerne fortführen möchte, aber auf einmal ein gewisser Name im Raum steht, dann hinterfragt die andere Person das sofort: Wieso heißt Du denn so? Sage ich aber ‚Alexander‘, kann man sich normal weiter unterhalten.

Jetzt, mit über 40, denkt man in solchen Situationen nur: Dann ist es halt so. Da lebt man damit, da macht es einem nichts mehr aus. Es bringt einen auch voran, macht einen stärker, zu sagen: Hallo hier bin ich, und ich bin wie ich bin. Und wenn Du über meinen Namen urteilst, kennst Du mich nicht. Man soll nicht urteilen über die Hautfarbe, einen Job, den jemand hat. Ob einer einen guten oder schlechten Charakter ist, kann man nicht am Namen oder an sonstwas festmachen.

Der einzige Moment, in dem es auch heute ab und an komisch ist, ist, wenn ich im Job meine Emailadresse angeben muss. Und dann am Telephon sage: ‚Nachname, Punkt, Adolf‘. Dann denkt man immer: Was geht dem am anderen Ende der Leitung jetzt durch den Kopf? Gut, wenn es mich wirklich stören würde, könnte ich das sicher ändern lassen. Meine private Emailadresse ist tatsächlich bewusst anders, die lautet: ‚A, Punkt, Nachname‘.

Es war übrigens von Anfang an klar, dass unser Sohn auch so heißen würde. Aber nur mit dem zweiten Namen, wie unsere Tochter auch den meiner Frau trägt. Als Vorname wäre Adolf schon allein deswegen nicht in Frage gekommen, weil er mir nicht gefällt. Und weil es auch unpraktisch ist: Die Krankenversicherung meines Vaters kann uns bis heute nicht auseinanderhalten.”