Adi // 1948

„Ich kann nicht mal sagen, ob mir Adolf gefällt oder nicht. Ich lebe im Frieden mit meinem Namen. Er ist nicht der allerschönste, aber das Leben hat viele nicht so schöne Aspekte, man könnte dauernd sagen: Das gefällt mir nicht, jenes gefällt mir nicht. Noch dazu bin ich ja einigermaßen erfolgreich. Er hat mich nicht beeinträchtigt. Vielleicht ist es wie wenn man mit Bleigewichten joggt: Das macht stärker.

Meine anderen Vornamen Othmar und Werner sind auch deutsche Namen. Othmar hieß mein Onkel mütterlicherseits, und Werner? Weiß ich gar nicht. Gut, Werner hätte ich mich auch nennen können – aber: Werner? Da ist doch Adi spannender, aufregender. Ich muss und ich kann das mit Humor sehen. Weil das meine Natur ist. Ich kannte auch andere deutsche Schauspieler – es gab da einen erfolgreichen Adi Sowieso in Mannheim! –, die Adi hießen und dachte mir: So schlimm ist es nicht. Adi ist ein unglaublich leicht auszusprechender Name. Er ist freundlich, offen, energetisch, dynamisch.

Möglicherweise hat mich mein Name zum Rebellen gemacht, zum scharfen Hinterfrager, zum Geschichtenerzähler, natürlich.

Ich bin heute Theatermann, aber angefangen habe ich bei den Wiener Sängerknaben. Danach habe ich die Musik eine Zeitlang ruhen lassen aus Ehrfurcht vor dem Gesang. In den 1980ern bin ich wieder eingestiegen und daraufhin sehr schnell ziemlich erfolgreich gewesen, ich habe an der Burg gespielt, in Deutschland und mache jetzt hier in Wien seit Jahren Theater, trete auf, inszeniere. Im Sommer betreibe ich das Wiener Lustspielhaus, dafür habe ich ein barockes Stecktheater bauen lassen. Wir übertragen große Stoffe der Theaterliteratur – zum Beispiel Goldoni, Shakespeare oder Goethe – ins Wienerische.

Als ich damals, Anfang der Sechziger, von den Sängerknaben zurück in die öffentliche Schule nach Linz gekommen bin, habe ich bemerkt, dass mein Name zumindest problematisch ist. Zu der Zeit war unter den Schülern schon ein allgemeiner Aufbruch im Denken festzustellen: der Vorlauf der 68er. Da wurde ich erstmals gefragt: Wieso heißt Du Adolf? Du bist 1948 geboren, wie kannst Du da Adolf genannt worden sein?

Diese Frage habe ich mir dann auch gestellt. Und je mehr Informationen ich bekam, desto erstaunlicher wurde das für mich. Das war nicht sehr nett von meinen Eltern.

Ich bin dem nachgegangen. Und habe keine klare Antwort bekommen. Da bin ich neugierig geworden. Ich habe den ganzen Nachkriegsmüll aufgestöbert. Was kam, kam unwillig und immer sehr nervös. Das hat während meiner ganzen Jugend zu sehr hitzigen Debatten geführt.

Familientradition? Eine Ausrede

Ich komme aus einer Akademikerfamilie, noch dazu aus Linz, das schon immer ein sehr braunes Nest war. Mein Großvater allerdings hieß auch schon Adolf. Der ist 1886 auf die Welt gekommen, ähnlich wie Hitler. Aber den Namen mit Familientradition zu erklären, war für mich bestenfalls eine Ausrede. Das Verhältnis meines Vaters zu seinem Vater war sehr unterwürfig. Der Großvater war sehr autoritär.

Meine Eltern waren anfangs beide begeisterte Nazis gewesen. Und später dann auf einmal nicht mehr ganz so begeistert. Wie es halt nach dem Krieg so war. Es war ihnen unangenehm, immer über diese Niederlage sprechen zu müssen. Es war ja nicht nur eine materielle Niederlage, sondern auch eine ideelle. Und das wollten die nicht so wahnsinnig gerne aufrühren lassen von mir.

„Im Grunde bin ich ein Poet. Ein Träumer.“ (Adi // 1948)

Mein Vater war Jahrgang 1919. Als der Krieg ausbrach, war er 20. Da ist man voller Ideale und mit Täterätä in den Krieg gezogen. Die propagandistische Beschickung war: ‚Wir sind gedemütigt! Wir müssen wieder aufstehen!’. Das fand ein 20-Jähriger ganz gut. Er hat in der Folge eine große Bitterkeit aus dem Krieg mit nach Hause gebracht – und in diese Bitterkeit habe ich immer reingestoßen. Er hat nicht gerne über den Krieg geredet.

Und dann räumte ich auf

Mein Onkel hat hingegen kein Blatt vor dem Mund genommen. Er war bekennender Nazi, hat 1960 eine Hitlerbüste aufgestellt! ‚Ohne Genierer’ sagt man bei uns in Wien. Da bin ich wütend geworden und habe aufgeräumt. Es war ein Befreiungsschlag für mich. Das hatte mit meinem Namen dann nichts mehr zu tun, der war nurmehr der Auslöser.

Ich habe meine Eltern damals mit Grausamkeit bestraft. Ich habe mit schweren Kanonen zurück geschossen. Ich habe mich ihnen entzogen. Das tat mir später sehr leid.

Ob ich die Möglichkeit hatte, den Riss zu kitten? Ich hoffe es. Ich war um meinen Vater in seinen letzten Jahren sehr bemüht, ich habe mich um ihn gekümmert. Ich wollte nicht, dass er glaubt, ich sei sein Feind. Ich habe bis zu seinem letzten Atemzug um diese Beziehung gekämpft.

Mit meinen Kindern möchte ich das nicht durchmachen. Wir haben ein ganz anderes Verhältnis. Ich habe ihnen von Anfang an vom Großvater erzählt – von unserer Familiengeschichte – und all ihren verworrenen Seiten. Nicht einmal im Traum habe ich daran gedacht meinem Sohn diesen Namen weiterzugeben. Das wäre ja verrückt! Wenn Männer, die Adolf heißen, sagen, das sei für sie ein ganz normaler Vorname, weil er in ihrer Familie eine lange Tradition habe, dann halte ich das für ein Sedativum.

Mein Name hat mich politisiert

Im Grunde bin ich ein Poet. Ein Träumer. Aber der Vorname hat mich politisiert. Er ist ein guter Ansatzpunkt dafür. Besonders wenn es um emotionale Themen geht, die leicht ins Verderben führen. Wenn ich mir die rechte Szene anschaue, ist da immer viel Emotion und sehr wenig Vernunft. Durch meinen Namen habe ich gelernt, vernünftig zu argumentieren. Das war überlebenswichtig. Ich kann durch ihn gut erklären, was passiert, wenn man mal nicht nachdenkt.

Das A – sogar im Wiener Kaffeehaus.

Es gab hier eine Diskussion um Hitlers Geburtshaus in Braunau. Ich wäre dafür, es nicht abzureißen, sondern es immer und ewig stehen zu lassen. Ich würde alle reinschicken, sich das anzuschauen. Wir müssen zeigen: Wo immer faschistoides Gedankengut gedeiht, kann Furchtbares, Schreckliches passieren. Davor habe ich Angst.

Die Goldene Zeit, die ich erleben durfte, ohne Krieg, ist gefährdet. Wir haben es gerade mit einer Materialermüdung der Demokratie zu tun. Viele leben nach dem Motto: Es wird schon alles gut gehen. Von wegen. Was derzeit passiert, ist kein rein österreichisches Phänomen. Da kommen selbsternannte ‚Retter’, die sagen: Wir müssen uns abschotten. Die EU ist ja nur ein Handelsabkommen und lebt nicht. Wir müssten eine proaktive Wertegemeinschaft gründen und werden.

In meinen Konzerten gibt’s ein Lied von Willy de Ville (Nothing’s as heavy as an empty heart‘-‚Nix is so schwer ois wiara leeres Herz‘), das ich übersetzt habe. Eine Zeile lautet:

A wauns stockfinsta is,
weust grod im Kölla bist,
daun überleg ned laung
und zünd a Kerz’n aun.

(auf Hochdeutsch:
Auch wenn’s stockfinster ist,

weil Du gerade im Keller bist,
dann überleg‘ nicht lang
und zünd ’ne Kerze an.)