Adolf // 1969

„Dass ich Adolf heiße, ist Zufall. Geplant war ein Axel. Aber etwa fünfzehn Minuten vor der Geburt stellten die Ärzte fest: Da stimmt was nicht. Sie sagten meiner Mutter: Da sind zwei. Mit Zwillingen hatten sie nicht gerechnet, sie hatten nur einen Namen ausgesucht: Axel.

Mein Bruder und ich waren Nachzügler, mit ‚Adolf‘ hatte sich mit mein Vater bis zu diesem Moment nie durchsetzen können. Er wollte unbedingt die Familientradition fortsetzen: Er heißt auch Adolf. Und weil meine Mutter im Krankenhaus anderes im Kopf hatte, heiße ich nun auch so – in siebter Generation. Es heißt, mein Vater sei durch das Krankenhaus gelaufen und hat verkündet: ‚Jetzt gibt es doch einen Adolf‘. Das war dann halt so, wie man so schön sagt.

Es war eben einfach Tradition

Der Name steht auch in meinem Ausweis. Meine Eltern haben mich meist Adolf gerufen, aber es gab auch mal Verlaufsformen wie ‚Dölle‘. Ich glaube nicht, dass sie überhaupt darüber nachgedacht haben, dass das ein schwieriger Name ist. Ich habe es auch mal angesprochen, ja, aber sie haben die Sache nicht so gesehen. Es war in dem Sinne nicht wichtig – es war eben einfach Tradition.

Ob ich meinen Namen mag? Jo, der ist nun einmal immer schon dagewesen. Ich hatte auch nie die Idee, mich umzunennen und einen meiner anderen Vornamen zu nutzen.

Für mich war er ganz normal, mein Opa hieß so, mein Vater hieß so. Dass der Name irgendwie anders ist, merkte ich in der Grundschule. Da kamen dumme Sprüche, Klassenkameraden hoben den rechten Arm hoch. Was dahinter steckt, habe ich damals erst natürlich nicht verstanden. Und ich glaube, die, die mich gehänselt haben, haben es auch nicht verstanden. Ich fragte zu Hause, was das für ein Name ist. Da haben sie mir das erzählt, mit Hitler und dem Krieg. Sie haben viel von der Geschichte erzählt, bevor ich das später in der sechsten, siebten Klasse im Unterricht hatte.

Meistens habe ich mit meiner Großmutter darüber geredet. Die war sehr redselig und hat gerne aus den alten Zeiten erzählt. In späteren Gesprächen hörte ich dann aber raus, dass sie das mit dem Dritten Reich gar nicht so schlecht fand. Danach habe ich versucht, das Thema ihr gegenüber zu meiden.

Hitler? Nö

Ehrlich, ich hatte nie Probleme mit meinem Namen. Ich glaube, das liegt viel am direkten sozialen Umfeld. Aber klar, wenn man wegen des Namens viel gehänselt wurde und dauernd Schwierigkeiten im Alltag hat, kann ich mir schon vorstellen, dass man eine andere Haltung dazu entwickelt und den Namen vielleicht sogar ändern möchte. Aber da ich immer schon ein sehr gefestigtes Selbstbewusstsein hatte, war mir immer egal, was andere gesagt haben.

Der erste, an den ich denke, wenn ich den Namen höre, ist mein Vater, dann mein Opa. Hitler? Nö. Den sehe ich in dem Kontext gar nicht. Ich finde, es ist ein schöner norddeutscher Name. Genau wie Gunnar oder Gundolf, einfach einer dieser klassischen nordischen Namen. Einen, den man eigentlich nicht verniedlichen kann.

Es stimmt schon, dass ‚Adolf‘ anders als etwa Rainer oder Axel mit einem eindeutigen historischen Kontext verbunden ist. Aber es gibt ja viele alte Namen, die einen bösen Vorläufer hatten, die müsste man ja dann auch als belastend empfinden oder deswegen in der Schule veräppelt werden. Das ist doch alles ewig lange her. Deutsche haben immer noch diese Schuldgefühle, das ist meiner Meinung nach Quatsch. Und Hitler war ja nicht mal Deutscher, sondern Österreicher.

Ich bin nicht rechts und nicht links

Ich bin sehr geschichtsinteressiert, ja, aber das hat mit meinem Namen nichts zu tun. Ich habe bis heute nicht verstanden, dass viele Leute meiner Generation oder die jünger sind, mit dem Namen ein Problem haben. Ich bin ein ganz normaler Mensch und fühle mich nicht nur wegen meines Namens irgendeiner Gruppe zugehörig, ich bin nicht rechts und nicht links.

Natürlich gibt es Reaktionen, wenn ich mich vorstelle. Einige sind im ersten Moment erschrocken und schaffen es nicht, mich mit Namen anzusprechen. Aber das dauert auch bei Geschäftsterminen nur eine halbe, dreiviertel Stunde, dann ist alles ok.

Eines verblüfft mich: Keiner fragt mich, woher der Name kommt, wieso ich so heiße. Also ich würde diese Fragen stellen. Kann natürlich auch an meinem leicht autoritären Stil liegen.

Anders meine beiden Söhne. Die wollten schon in der Grundschule wissen, was das für ein Name ist. Ich habe ihnen dann erklärt, dass es Familientradition ist und nichts mit dem anderen Adolf zu tun hat. Die finden es bis heute witzig, von ihrem Vater Adolf zu sprechen. Weil sie wissen, dass ihre Freunde komisch darauf reagieren.

Meine Frau nannte mich Schatzi

Nur eine hatte lange Probleme, meinen Namen über die Lippen zu bringen: meine Frau. Die ersten zwei, drei Jahre, da waren wir noch nicht verheiratet, hat sie mich Schatzi oder so genannt. Das ist mir natürlich aufgefallen, aber wir haben erst viel später mal darüber gesprochen. Als wir uns kennenlernten war ich 22, 24. Sie fand, der Name sei für einen so jungen Menschen zu schwer und zu belastet. Aber jetzt, nach 20 Jahren, ist ‚Adolf‘ ganz normal für sie.

Als sie schwanger war, habe ich als Jungsnamen natürlich auch ‚Adolf‘ vorgeschlagen. Ich hätte es ganz schön gefunden, zumindest als Zweitnamen die Familienreihe fortzusetzen. Aber meine Frau hat sich gesperrt. Sie sagte, dann wäre es aus. Und meine Beziehung aufs Spiel setzen, nur um diesen Namen durchzuboxen? Nee. Das war es mir dann doch nicht wert.“